Vom alten Meister und dem Tod
Festgehalten von Bruni Lockenbart vom Klan der Lockenbärte
Wir Zwerge sind für unsere Sturheit bekannt. Die meisten Klans haben eine eigene Version dieser Geschichte, bei denen sich das Handwerk des Meisters an den jeweiligen Klan anpasst.
Einst lebte ein Zwerg unter dem Berge, der ein meisterlicher Goldschmied und Gemmenschleifer war. Er galt selbst unter den anderen Zwergenhandwerkern als mürrischer Perfektionist. Wenn ihm ein Werk nicht gefiel, warf er es zurück in die Esse und begann von vorne.
Als der Meister seinen 400. Winter zählte und sein Bart bis zu seinem Gürtel reichte, beschloss er ein Meisterstück zu fertigen. Dieses Meisterstück sollte alles bisherige übertreffen und sein Vermächtnis werden.
Da setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann Skizzen zu zeichnen. Für ein perfektes Werk bräuchte man einen perfekten Entwurf.
Und als er so da saß und Tag und Nacht grübelte, starb er.
Da kam der Tod um ihn mit sich zu nehmen. Der Meister stemmte seine Stiefel gegen den harten Fels aus dem er gemacht war und sagte „Nein!“
Da ging der Tod wieder.
Mit 500 Wintern und seinem Bart an den Knien, hatte der Meister endlich die perfekte Skizze für sein Werk gezeichnet. Er entschied, dass sein Meisterstück eine mit Rubinen besetzte Kette sein solle, und begann die einzelnen Kettenglieder aus feinstem Golddraht zu drehen. Er drehte und drehte den Draht und verdrehte in in sich selbst bis die Kettenglieder dick wie die Finger eines Kindes waren.
Und als er Tag für Tag die Kettenglieder in Form brachte, starb er.
Da kam der Tod um ihn mit sich zu nehmen. Der Meister verschränkte die Arme und sagte „Nein!“
Da ging der Tod wieder.
Als der Meister 600 Winter zählte und er Acht geben musste, nicht auf seinen Bart zu treten, war er endlich mit den Kettengliedern zufrieden und begann die Rubine in Form zu schleifen.
Immer wieder musste er neue Rubine kaufen, wenn ihm ein Schliff nicht gut genug war. Geld war kein Problem, da alles, was der Meister als Fehlschlag weg gab, dennoch von höchster Qualität und ein Vermögen wert war.
Und als er Tag für Tag die Gemmen schliff, starb er.
Da kam der Tod um ihn mit sich zu nehmen. Die Mine des Meisters verfinsterte sich bis seine buschigen Augenbrauen zu einer dicken Linie über der breiten Nase wurden und er sagte „Nein!“
Da ging der Tod wieder.
Mit 700 Wintern wurden die Augen des Meisters schlechter, seine Arme schwerer und er hörte fast nichts mehr. Doch er hatte sein Meisterstück vollendet. Ganze Königreiche wurden ihm für diese Kostbarkeit geboten. Der Stein selbst erblasste in Ehrfurcht vor seinem Meisterwerk.
Und als er sich endlich zurücklehnen konnte und sich seiner Arbeit rühmen, starb er.
Da kam der Tod um ihn mit sich zu nehmen. Er sprach „Dreimal kam ich, um dich zu holen, dreimal hattest du noch zu viel Arbeit vor dir. Nun ist dein Werk vollbracht. Du hast länger gelebt als jedes Kind des Steins vor dir und du musst einsehen, deine Zeit ist gekommen.“
Der Meister leerte seinen Bierhumpen in einem Zug, strich sich über den weißen Bart und sah dem Tod lange ins Gesicht und sagte „Nein!“
Da ging der Tod wieder.